S.C.U.M.M. RPG – Hohe Fertigkeitswerte und Schwierigkeiten

Ich kenne SilCore bzw. Silhouette RPGs schon seit Jovian Chronicles und war von Anfang an vom Design begeistert. Leider hat sich nie eine Spielrunde ergeben, dennoch habe ich weitere Publikationen und Mods im Internet verfolgt. Ein sehr schöne Anpassung ist S.C.U.M.M. von Mikko Savolainen, dass er 2014 auf seinem Blog veröffentlicht hat. In diesem sehr verknappten Kernregelwerk, greift er den Grundmechanismus auf, dass alle Charaktere Fertigkeiten mit Werten zwischen -3 und +3 haben (ggf. auch +4 oder +5, aber das ist eher die Ausnahme).

Fertigkeitsproben werden mit Fertigkeitswert x D6 ausgeführt (sofern Fertigkeitswert +1, +2 oder +3 lautet) und gezählt wird nur der Würfel mit der höchsten Augenzahl. Haben mehrere Würfel die Augenzahl 6, zählt jede zusätzliche 6 nach der ersten als +1 auf das Gesamtergebnis (3d6: 3,6,6 ergibt also 6+1 = 7). Dieses Ergebnis wird mit einer festgelegten Schwierigkeit verglichen um zu sehen, ob man Erfolg hatte. Übertrifft man die Schwierigkeit sogar, zählt jeder Punkt über der Schwierigkeitszahl als +1 Erfolg, die Auswirkungen legt in der Regel der Spielleiter fest – im Kampf z.B. sind diese Erfolge konkreter Zusatzschaden zum Grundschaden eines Angriffs.

Soweit, so gut. Das System funktioniert auch ganz prima, solange Charakter sich im Wertebereich bis +3 aufhalten. Das passt gut zu einem Hard Sci Fi Setting, in dem nur Menschen herumlaufen und die wenigsten Charakter eine Astrophysiker-Koryphäe darstellen müssen, die ggf. einen Fertigkeitswert von +4 oder +5 erfordern würde. Ebenso wenig laufen hier Supermenschen oder Aliens mit Stärke +8 herum.

Ich fragte mich, wäre das System vielleicht auch für solch ein Setting geeignet – also Superhelden, High Fantasy, usw.?

Ausgangsbasis ist die Tabelle für Erfolgschancen von DP9 selbst, die ich für die Fertigkeitswerte bis +10 und Schwierigkeiten bis 14 erweitert habe:

Untrained
Novice
Qualified
Veteran
Elite
Legendary
Superhuman
Superhuman
Superhuman
Half-god
Godlike
Skill ▶
Threshhold ▼
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
1 Effortless 30.6% 0: 0.0%
1: 100%
Auto Auto Auto Auto Auto Auto Auto Auto Auto
2 Routine 25.0% 0: 16.7%
1: 83.3%
0: 2.7%
1+: 97.2%
2: 69.4%
0: 0.5%
1+: 99.5%
2+: 96.6%
3: 57.9%
0: 0.1%
1+: 99.9%
2+: 98.4%
3+: 86.8%
4: 48.2%
0: <0.1%
1+: 99.9%
2+: 99.6%
3+: 96.5%
4+: 80.4%
5: 40.2%
0: <0.1%
1+: 99.9%
2+: 99.9%
3+: 99.2%
4+: 93.8%
5+: 73.7%
6: 33.5%
0: <0.1%
1+: 99.9%
2+: 99.9%
3+: 99.8%
4+: 98.2%
5+: 90.4%
6+: 67.0%
7: 27.9%
0: <0.1%
1+: 99.9%
2+: 99.9%
3+: 99.9%
4+: 99.5%
5+: 96.9%
6+: 86.5%
7+: 60.5%
8: 23.3%
0: <0.1%
1+: 99.9%
2+: 99.9%
3+: 99.9%
4+: 99.9%
5+: 99.1%
6+: 95.2%
7+: 82.2
8+: 54.3%
9: 19.4%
0: <0.1%
1+: 99.9%
2+: 99.9%
3+: 99.9%
4+: 99.9%
5+: 99.8%
6+: 98.5%
7+: 93.0%
8+: 77.5%
9+: 48.5%
10: 16.2%
3 Easy 19.4% 16.7% 13.9% 8.8% 5.0% 2.7% 0.0% 0.0% 0.0% 0.0% 0.0%
4 Moderate
5 Challenging
6 Difficult
7 Very Difficult
8 Extremely Difficult
10 Near Impossible
12 Pray!

Nehmen wir einen Charakter mit Fertigkeit +2 und eine Aufgabe der Schwierigkeit 4 (Moderat):

Die Erfolgschance liegt bei 75 %, die Chance für einen +1 Erfolg bei 55,6 %, die für einen+2 Erfolg bei 30,6 %.

Vergleichen wir nun einen doppelt so versierten Charakter mit Fertigkeit +4 und verdoppeln auch die Schwierigkeit auf 8 (Sehr schwer):

Die Erfolgschance liegt bei rund 1,6 %, die Chance für einen +1 Erfolg bei 0,077 %, die für einen+2 Erfolg besteht gar nicht mehr. Bei Schwierigkeit 4 (Moderat) dagegen gilt hier: 93,75 %, +1 bei 68,75 %, +2 bei 31,25 % und +3 bei 6,25%.

Nehmen wir nun einen Superhelden mit einer Fertigkeit +8 und setzen die Schwierigkeit ebenfalls auf 8 (Sehr schwer):

Die Erfolgschance liegt bei rund 13,48 %, die Chance für einen +1 Erfolg bei 3 %, die für einen+2 Erfolg oder höher sind so gering, dass man sie vernachlässigen kann.

Je mehr Würfel zum Einsatz kommen, desto stärker fällt die Erfolgschance für schwierigere Aufgabenstellungen ab, bei Charakteren mit +2 oder +3 besteht zwar gar keine Option eine Schwierigkeit 9 oder höher zu meistern, aber auch ein so mächtiger/erfahrener Charakter mit einer +8 Fertigkeit, hat nur sehr geringe Aussichten auf Erfolg (3,06 %). Hohe Fertigkeitswerte repräsentieren hier also nicht unbedingt ein verlässliches Potential auch schwierigere Aufgaben zu meistern (mit einer vernünftigen Aussicht auf Erfolg), sondern verbessern lediglich die, ohnehin schon guten, Erfolgschancen im niedrigen Schwierigkeitsbereich. Das S.C.U.M.M. Regelwerk führt Schwierigkeiten von 14+ auf, diese dürften selbst für gottgleiche Charaktere mit Fertigkeit +10 nicht zu meistern sein (die Chance liegt bei 1,55 %).

Das Problem liegt zum einen darin, dass die Schwierigkeitstabelle in Bezug auf einen durchschnittlichen Charakter mit Fertigkeit 0 oder +1 bezogen ist. Was für einen Lehrling Schwer erscheint, ist für einen Meister aber in der Regel Einfach oder gar Trivial. Möchte man einem Meister (Fertigkeit +4 oder gar +5) eine Herausforderung stellen, kann man nicht Schwierigkeit 5 ansetzen. Der Spielraum von 0 bis +3 ist sehr klein. Man kann in diesem nicht die Bandbreite von Fertigkeiten oder Eigenschaften abbilden, die z.B. ein Spielhintergrund mit Aliens oder Monstern erfordert. Ein Drache kann nicht einfach Stärke +3 haben, wenn das ein Drittel aller Spieler auch hat. Oder ein Bogenschütze +3, der auf 150 Meter (Angriffs-Modifikator -3) auf ein rennendes Ziel schießt (Verteidigungs-Modifikator +3). Nehmen wir an, das Ziel weiß nichts vom Schützen und seinem Vorhaben, dann gilt Schwierigkeit 1 + 3 durch die Entfernung, also 4. Der Schütze muss nun 3d6 mindestens eine 4 erwürfeln, was zu 87,5 % klappt. Ein Meisterschütze dagegen hätte vielleicht Fertigkeit +5. Im gleichen Szenario hat er eine Trefferwahrscheinlichkeit von 96,87 % und sogar in etwas über 30% der Fälle einen +3 Erfolg erzielt. Das ist für ihn dann sicher nicht mehr moderate Schwierigkeit, sondern eher schon Routine.

Zum anderen ist es problematisch, wenn bei hohen Fertigkeitswerten viele Würfel ins Spiel kommen, die eine tatsächlich höhere Schwierigkeit nur zu einem sehr geringen Prozentsatz erreichbar machen, dafür aber einfachere Aufgaben zu nahezu 100% erfolgreich absolviert werden. Hohe Schwierigkeiten sind in S.C.U.M.M. grundsätzlich nur durch massiven Einsatz von Modifikatoren zu erreichen (Zielen, Vorbereiten, Vorteile nutzen), was vom Gedanken her richtig erscheint. Umso merkwürdiger erscheint es, dass bei hohen Fertigkeitswerten mehr Würfel genutzt werden, die Erfolgschancen dadurch aber, relativ gesehen, geringer ansteigen und Modifikatoren deutlich wichtiger sind als das Würfelergebnis.

Ich würde Schwierigkeiten immer gemessen am Akteur einstufen und zwar nach dessen Aussichten auf Erfolg. Jeder Mensch wird eine Aufgabe als Routine betrachten, die er nur äußerst selten nicht bestehen wird (real < 10%, regel-technisch bedingt vielleicht < 15%), während er eine Aufgabe, an der er in 50 % der Fälle scheitert, nicht als Moderat sondern schon durchaus als Schwer einstufen dürfte. Eine Aufgabe, die ihm in 8 von 10 Fällen gelingt, wird eher als Einfach bis Moderat betrachtet, eine, die in 80 % der Fälle scheitert sicher schon als anspruchsvolle Herausforderung, kurz vor der Grenze zur Unmöglichkeit.

Meine Einstufung wäre etwa wie folgt

Erfolgschance Schwierigkeit
84-100 % Trivial
67-83 % Einfach
54-66 % Moderat
34-50 % Schwierig
17-33 % Herausfordernd
01-16 % Verrückt

Man könnte natürlich auch 20 Stufen in 5% Schritten haben oder nur 3, aber dies ist für mich ein akzeptabler Kompromiss zwischen “unmöglich zu merken” und “viel zu grob und unflexibel”. Jede Schwierigkeit ist etwa 16% “schwieriger” als die vorherige, damit lässt sich das auch direkt auf einen d6 übertragen. Unter Schwierigkeit verstehe ich nicht nur harmlose Aufgaben, deren scheitern risikolos ist. Man stelle sich viel mehr vor, man stehe auf einem hohen Felsen über einem steinigen Fluss und muss abschätzen, wie hoch die eigenen Erfolgsaussichten sind, ohne Verletzung zwischen die Felsen zu springen, zu tauchen und heil wieder ans Ufer zu kommen. Hat man das schon 100 Mal gemacht, ist die Aufgabe irgendwas zwischen Einfach und Moderat, ist es das erste Mal, scheint sie einem Herausfordernd bis Verrückt. Hier sehen wir den Lerneffekt – wer es 100 Mal gemacht hat, hat evtl. Fertigkeit +2, wer es zum ersten Mal macht, Fertigkeit 0. Eine Aufgabe ist für mich genau so schwer, wie unvollkommen mein Wissen und Können ausgeprägt sind.

Erfolgschance Schwierigkeit Zielzahl auf 1d6
84-100 % Trivial 1+
67-83 % Einfach 2+
54-66 % Moderat 3+
34-50 % Schwierig 4+
17-33 % Herausfordernd 5+
01-16 % Verrückt 6

Die Schwierigkeit einer Aufgabe muss sich also an der Fertigkeit (dem Erfahrungsgrad) eines Charakters messen, nicht umgekehrt. Woran der Lehrling scheitert ist eine Aufgabe, die für einen Großmeister eine Kleinigkeit darstellt. Schwierigkeit ist kein objektiver Wert. Somit benötigen wir eine fixe Einstufung der Erfahrungsgrade und Fertigkeitswerte zur Orientierung.

Erfahrungsgrad Fertigkeitswert
Untrainiert 0
Lehrling +1
Geselle +2
Experte +3
Meister +4
Großmeister +5
Legende +6
Übermenschlich +7
Mythisch +8
Gottgleich +9
Göttlich +10

Verfolgt man diesen Ansatz weiter, gerät man spätestens bei Fertigkeitswerten von +6 und höher ins Schleudern. Ab +6 nämlich, gelingen alle Aufgaben mit Schwierigkeit 1-6 nahezu immer, während Aufgaben mit Schwierigkeit 8 und höher sofort in der Stufe Verrückt anzusiedeln sind. Je höher die Fertigkeit, umso unwichtiger wird es bei niedrigen und mittleren Schwierigkeiten überhaupt zu würfeln, sehr hohe Schwierigkeiten, die dem eigenen Können angemessen wären, sind weiterhin fast nie zu erzielen.

Ein Charakter mit Fertigkeit +10 z.B. würde Schwierigkeit 10 als Trivial betrachten (Erfolgschance über 83 %), aber Schwierigkeit 14 schon als Verrückt (1,5 %). Für ihn ist alles also entweder automatisch erledigt oder unmöglich. Damit eignet sich das Würfelsystem so also nicht für Superhelden oder Götterwelten Settings.

Ein Ausweg – Fertigkeit als Fixwert?

Wenn man Attribute und Fertigkeiten als verlässliche Messgröße für das Vermögen oder Können eines Charakters betrachtet, kann man sie auch als Fix- oder Basiswerte in Erfolgsproben verwenden. Dann wäre Fertigkeit +3 nicht “würfle 3d6” sondern tatsächlich einfach “reduziere die (subjektive) Schwierigkeit um -3”. Sicher gibt es eine Vielzahl von Dingen, die eine relativ zuverlässig abrufbare Leistung, situationsbedingt beeinflussen können. Damit man sich nicht mit Dingen wie “hat schlecht geschlafen, reagiert daher minimal langsamer als sonst” oder “die Spannkraft des Bogens hat gerade eben nach Jahren des Gebrauchs um 2% nachgelassen” beschäftigen muss, gibt es weiterhin Würfel. Die Würfel bringen dabei eine Varianz in das Ergebnis, die aber mit zunehmender Fertigkeit immer weniger ins Gewicht fällt. Allerdings ist es auch möglich routinierte Profis unter Stress zu setzen, und so ihre eigentlich hohen Erfolgschancen zu reduzieren. Dies wird über die Anzahl der d6 abgebildet, die gewürfelt werden. Je nach Intensität einer Situation sind zwischen 1d6 und 4d6 zu würfeln. Dies ist kein Modifikator im eigentlichen Sinne, sondern repräsentiert ein Potential, dass abhängig von der Intensität (Spannung, Risiko, Stress, Wichtigkeit) einer Situation, freigesetzt wird. Diese Idee stammt vom Living Myth RPG Blog und ich werde diese demnächst vertiefen.

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